Manche meinen ja, Optimisten seien Leute, denen Informationen fehlen. Folgt man dem neuen Buch von Martin Schröder, beschreibt das Bonmot eher die Pessimisten. Anhand zahlreicher Statistiken und Grafiken belegt der Professor für Soziologie: Den meisten Menschen geht es gut wie nie zuvor.

Schrumpfende, depressive Mittelschicht, Einwanderungsmisere, Gender Pay Gap, Bürgerkriege, Gewalt-Explosion, Klima-Elend und auch sonst alles knapp vor Katastrophe? Kann man so sehen, sagt Schröder. Aber nur, wenn man die Fakten ausblendet. Was viele deshalb tun, weil wir psychologisch erklärbaren Wahrnehmungsfehlern unterliegen: einer rosa Brille für die Vergangenheit, der stärkeren Beachtung aktueller negativer statt positiver Geschehnisse und einem Trugschluss, der das Eintreten eines Ereignisses für um so wahrscheinlicher hält, je leichter wir uns an ein ähnliches Geschehnis erinnern können. Und die ähnlichen Ereignisse werden jeden Tag oder wahlweise jede Minute von Medien frei Haus geliefert.

Im ersten Teil des Buchs widmet sich Schröder der Lebensqualität und Zufriedenheit in Deutschland, im zweiten Teil dem Rest der Welt. Er schreibt durchweg unterhaltsam, gut verständlich und schafft es immer wieder, mit Statistiken zu verblüffen. Oder hätten Sie gedacht, dass Sie mit einem Nettoeinkommen von 3.283 Euro schon zu den reichsten 10 Prozent der Gesellschaft gehören? Nein? Dann stehen Sie mit Ihrer Einschätzung nicht allein: Kaum jemand denkt von sich, reich zu sein. Nicht 10, sondern nur 1 Prozent der Deutschen glauben, zu den obersten 10 Prozent der Einkommensbezieher zu gehören. Meine Vermutung: Dieses eine Prozent ist auch dasjenige, das tatsächlich ganz oben steht und das Dreifache am Monat aufs Konto bekommt wie die am unteren Ende dieser Reichen-Skala. Ähnlich ausführlich schlüsselt Schröder auch die Vermögensverteilung auf.

Die falschen Einschätzungen und der grassierende Pessimismus haben nichts mit Bildung zu tun, belegt Schröder. Oder höchstens mit zu viel davon: Bei Tests über den Zustand der Welt schneiden viele Professoren, Wissenschaftler, Lenker von Weltkonzernen und politische Entscheidungsträger schlechter als der Durchschnitt ab. Einige der schlechtesten Ergebnisse überhaupt kommen von Nobelpreisträgern. Am nächsten an der Wirklichkeit liegen die Testergebnisse von Schimpansen.

Schröders amüsantes Plädoyer streift auch Gerechtigkeitslücken: Ein Haushalt im reichsten Prozent der Deutschen zahlt durch die Deckelung der Sozialabgaben prozentual weniger Abgaben als ein Haushalt in der Mitte. Zur Verringerung dieser Ungleichheit schlägt er einen höheren Spitzensteuersatz vor und eine Entlastung unterer Einkommen bei den Sozialabgaben. Dass der Vorstand Ihres Dax-Konzerns 54-mal so viel wie Sie als Arbeitnehmer verdient, davon schweigt das Buch. Vielleicht arbeitet Ihr Spitzenmanager natürlich auch 54-mal länger pro Woche als Sie oder ist 54-mal intelligenter oder 54-mal verantwortungsbewusster. Womöglich hat der Unterschied aber auch damit zu tun, dass schon sein Vater Vorstand gewesen ist und Ihrer nur Ingenieur oder Schlosser. Dem Buchautor ist aus solchen Auslassungen kein Vorwurf zu machen – Seitenzahlen sind endlich.

International geht es laut Schröder ebenfalls eher voran als zurück, auch wenn spektakuläre Zusammenbrüche beeindruckendere Schlagzeilen liefern als der langsame Fortschritt. Den Klimawandel sieht er nicht als unabwendbare Katastrophe, sondern als neues Beispiel in einer Reihe von Problemen, bei denen die Menschheit in der Vergangenheit immer Lösungen gefunden hat.

Penible Anmerkungen belegen und ergänzen die Zitate und Daten. Schröder will mit seinem Buch keinen Anlass zum Zurücklehnen bieten, sondern fordert zum Engagement auf: “Denn wenn die Welt – wie in der Vergangenheit – besser geworden ist, dann nur, weil jemand sie besser gemacht hat.”

Zu den am besten verdienenden 30 Prozent gehören Sie übrigens schon mit einem Netto von 2.119 Euro. Das muss doch zu schaffen sein. Und wenn nicht aus der einen, dann aus der anderen Richtung.

Das Buch erscheint im Benevento-Verlag, hat 228 Seiten und kostet 20,00 Euro.