Foto: H. Kluge

Nach der Dercon-Episode bleiben in der Volksbühne viele Zuschauersitze leer. Der Interims-Intendant Klaus Dörr hat dem Kulturausschuss des Berliner Parlaments seine Wiederbelebungsmaßnahmen erläutert.

Die Auslastung der Volksbühne liegt bei 58 Prozent.  Zum Vergleich: Das Deutsche Theater bringt es auf 80, das Berliner Ensemble auf 88 Prozent. Geschuldet ist die schlechte Zahl dem Fehlen von Ensemble, Hausregisseuren und spannenden Stücken.

In der letzten Spielzeit unter der Intendanz Frank Castorfs hat die Volksbühne sich und ihr Publikum in einen Rausch gespielt und war oft ausverkauft. Dann kamen Chris Dercon und ein Ausverkauf der anderen Art: Die mit großem Pomp und langem Vorlauf angekündigte Umprofilierung des Theaters zu einem Gastspielort für internationale Produktionen geriet zu einem Desaster, die zusätzliche Spielstätte auf dem Tempelhofer Feld zur Kostenfalle. Theaterkritiker beklagten fehlende Frische und Relevanz, das Publikum blieb weg. Freunde der alten Volksbühne riefen dazu auf, “Lieber Tee” zu trinken als sich die “Liberté”-Aufführung des Hauses anzutun. Nach einer mehrtägigen Theaterbesetzung, Mini-Demonstrationen und  langweiligen Inszenierungen verständigte sich der Kultursenator Klaus Lederer (Linke) mit Dercon auf eine Vertragsauflösung. Geholt worden war Dercon von Lederers Vorgänger, Kulturstaatssekretär Tim Renner, sowie vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (beide SPD). Seit einem halben Jahr sammelt Interims-Intendant Dörr die Scherben auf.

Ensemble dringend gesucht
Eines der Probleme: Eigentlich müsste ein Intendant jetzt bereits die Spielzeit 2020/21 vorbereiten, um geeignete Schauspieler und Regisseure vertraglich zu binden. Da Dörr aber ohne Ensemble und eigenes Repertoire dasteht, muss er sich zunächst auf die Spielzeit 2018/19 konzentrieren. Dafür plant er mit Gastspielen, der Übernahme von Stücken anderer Theater und mit ersten neuen Eigenproduktionen. So zeigt die Volksbühne im November als Übernahme einer Inszenierung des Theaters Bochum Ibsens Volksverräter. Im Dezember gastiert das Thalia-Theater Hamburg mit Houellebecqs Unterwerfung – und dem großartigen Edgar Selge. Ebenfalls im Dezember feiert als Eigeninszenierung Leander Haußmanns Staatssicherheitstheater Premiere. Haußman ist Regisseur des Films Sonnenallee und hat bereits an verschiedenen Berliner Theatern inszeniert. Statt der von Dercon eingestellten Kuratoren und Marketing-Fachleute will Dörr wieder Dramaturgen, Souffleusen und Regieassistenten zur Volksbühne holen. Beim festen Ensemble wird der neue Intendant mitreden, der in der ersten Jahreshälfte 2019 gefunden sein soll.

Die von Dörr eingeleiteten Wiederbelebungsmaßnahmen führen zu ersten Zuckungen. Die Scheintote hat sich aufgerichtet.

In Alfred Hitchcocks Pass stand als Beruf “Produzent”. “Was produzieren Sie denn so?”, fragte ein Grenzbeamter. “Gänsehaut”, antwortete Hitch. Volksbühne, wir freuen uns auf dich!

Website des Theaters
Causa Volksbühne bei Stimme der DDR

 

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