Maaz’ Buch schildert eine offenbar verbreitete psychische Störung, den Narzissmus. Dabei entscheidet er zwischen gesundem und gestörtem Narzissmus. Ein Mensch mit gesundem Narzissmus verfüge über Selbstwert und Selbstliebe, was ihn zur Fremdliebe befähige, erkenne und akzeptiere seine Beschränkungen.

Den pathologischen Narzissmus beschreibt Maaz in den Begriffen Größenselbst und Größenklein, beides Folge von Liebesmangel in der frühen Kindheit. Beim Größenselbst motiviere dieser Mangel zu Anstrengungen, um Bestätigung zu bekommen – Streben nach immer neuen Erfolgen, nach Attraktivität, nach Bedeutsamkeit. All dies diene dazu, das innere Minderwertigkeitsgefühl zu verleugnen und zu beruhigen, wobei dennoch nie Zufriedenheit eintrete. Die Selbstzweifel müssten dann mit neuen “Erfolgen“ bekämpft werden. Menschen mit Größenklein reagierten auf das Liebesdefizit mit permanenter Selbstabwertung und mit derAnhimmelung anderer. Dadurch wollten sie vom Gegenüber die Zuwendung erhalten, die ihnen in der Kindheit entgangen sei. So würden Ehen oft “kollusive Partnerschaft“ von Größenselbst und Größenklein sein, die sich gegenseitig stabilisierten.

Maaz erläutert die Entstehungsgeschichte der Störung an Beispielen, beschreibt Ausprägungen des männlichen und weiblichen Narzissmus, die Auswirkungen in der Pubertät und Partnerschaft, beim Sex. Er findet immer wieder interessante Beispiele, die zum Weiterdenken anregen. Laufend zieht er dabei Parallelen zu einer Gesellschaft, die im destruktiven Leistungs- und Wachstumsdenken gefangen sei.

Gegen Ende des Buches verliert Maaz dabei vielleicht ein wenig das Maß. Sein Politikverständnis ist in seiner Generalisisierung nicht weit entfernt vom Stammtisch und dessen Haltung, das alles schlimm sei und noch schlimmer werde – die Verteilungsungerechtigkeit, die Vergiftung von Boden, Gewässern, der Luft, der Artenrückgang, die Verschuldung. “Die” Politiker seien narzisstische Größenselbsts, korrumpiert und nicht in der Lage, nötige unpopuläre Entscheidungen zu treffen, weil sie zum einen von der Kompliziertheit der Materie nichts verständen und zum anderen aus der narzisstischen Prägung heraus alles für den Machterhalt täten. In Wahlen treffen demzufolge das Größenklein, “der Wähler”, auf das Politker-Größenselbst. Die gesunden Narzissten sieht er offenbar in den Nichtwählern.

Als Lösungs-Utopie schwebt ihm vor, dass alle Wahlen mit einer Beteiligung unterhalb einer Marge von beispielsweise 80 Prozent für ungültig erklärt werden. Dann müssten die Gründe der geringen Wahlbeteiligung diskutiert und verstanden werden, woraus eine weitgehend akzeptierte Realpolitik folge, bestehend aus Kompromissen, die aus der Beachtung der Meinung aller entstehen. Die Regierung sollte von einem ehrenamtlichen Experten-Rat ersetzt werden, direkt vom Volk gewählt. Dessen Arbeit wird von einem neutralen Moderator gruppendynamisch begleitet. Auch hinter der Konfrontation im Kalten Krieg diagnostiziert Maaz ein kapitalistisches Größenselbst und das Größenklein des Ostblocks. Positiv bewertet Maaz, das Buch ist erstmals 2012 erschienen, die Piratenpartei, weil sie (noch nicht) dem narzisstischen Reflex unterliege, zu allem eine Antwort zu haben.

 

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