Das Gomringer-Gedicht verschwindet von der Fassade der Berliner Hochschule. Der Zeitgeist hat einen seiner Zwischensiege errungen.

Stimme der DDR hat es vorausgesagt: “Ein tristes Plattenbaugebiet. Mitten darin ein luftiges Gedicht, das Weite vermittelt und Weltläufigkeit und gute Laune. Und das schlechte Chancen hat gegen eine auf allzeitige Erregungsbereitschaft gepolte Öffentlichkeit.” So ist es gekommen.

Das so umstrittene wie harmlose Gedicht Eugen Gomringers verschwindet von der Fassade. Der Akademische Senat der Hochschule ersetzt es durch ein Gedicht, das die Lyrikerin Barbara Köhler der Hochschule schenken will. Gomringer, mittlerweile 93, ist mit der Entfernung seines Gedichts nicht einverstanden. Die Hochschule hat als Entgegenkommen verkündet, dass sie auf einer mehrsprachigen Tafel über das erste Gedicht und die Debatte darüber informieren will.  Das neue Gedicht soll erst hochschulintern und dann öffentlich vorgestellt werden.

Noch weitere Details an diesem Vorgang sind bemerkenswert: Zum einen die Überschrift der entsprechenden Pressemitteilung: “Alice Salomon Hochschule Berlin entscheidet sich für die Kunst auf ihrer Südfassade”. Das nennt man wohl Chuzpe.  Zum anderen die Betonung, wie demokratisch die Entscheidung erfolgt sei –  alle Hochschulangehörigen konnten über in einem internen Wettbewerb eingereichte Gestaltungsideen abstimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 35 Prozent. Entschieden hat sich der Senat dann nicht für einen der beiden Wahlsieger, sondern für einen “bewusst aus dem Diskussionsprozess heraus entwickelten  Vorschlag der Hochschulleitung.” So viel Dialektik hätte auch dem Politbüro gefallen.

Pressemitteilung der Hochschule

 

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